Wie digital ist digital genug?

Von der eigenen Webseite über die automatisierte Montageanleitung bis zur Produktion: Digitalisierung und Vernetzung rücken Architektur und Baubranche näher zusammen. Ein deutschlandweites Forschungsprojekt hat untersucht, wie digital die Branche schon ist – und wo es Nachholbedarf gibt.

Digitalisierung im Handwerk

Wenn Digitalisierung auf Architektur trifft, fallen häufig die Begriffe „Building Information Modelling (BIM)“, „Augmented Reality“ und „Smart Architecture“. Sie stehen für neue Möglichkeiten der Kreation, Realisierung und Effizienz in der Branche. Diese Trends verändern auch die Rolle der Architekten stark, immer mehr von ihnen wollen ihre Prozesskette digitalisieren – von der Planungssoftware bis zur Ausführung auf der Baustelle. Doch wie sieht es bei den alltäglichen Partnern der Architekten aus? Im Baugewerbe etwa lassen sich durch die Digitalisierung Bauphasen und -prozesse vereinfachen und bei gleichbleibender oder sogar höherer Qualität Kosten optimieren. Doch wie digital sind die Betriebe im Baugewerbe eigentlich?

360-Grad-Betrachtung der Branche

Dieser Frage ist Andreas Owen in seinem „Digitalisierungsbarometer für das Bau- und Ausbauhandwerk“ nachgegangen, das erstmalig deutschlandweit den Grad der Digitalisierung der unterschiedlichen Gewerke untersuchte. Das Forschungsprojekt ist empirisch fundiert und berücksichtigt nicht nur die Sicht des Handwerks auf sich selbst, sondern auch die Einschätzung von Kunden und den Fachkräften von morgen – den Jugendlichen. Die Studie wurde im Rahmen der Zukunftsinitiative “Handwerk 2025“ vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg gefördert.

Über einen Zeitraum von 12 Monaten wurden dazu in Telefon- und Online-Erhebungen 1.800 Handwerker, 1.000 Endkunden, 900 Jugendliche und 70 Experten befragt. Hinzu kamen 24 offene Interviews mit Handwerkern und Betriebsinhabern sowie drei Gruppendiskussionen. „Es gab zwar zahlreiche Studien zum Thema, aber keine, die einen umfassenden Blick auf das Handwerk geworfen hat“, sagt Owen, unter anderem Gründer der Handwerks-Bewertungsplattform wirsindhandwerk.de. Ziel der Studie: Die Digitalisierung der Handwerksbetriebe differenziert messbar und darüber hinaus auch die Gewerke vergleichbar– und so auch für Architekten berechenbar zu machen.

Bauleiter mit Tablet

Digital? Ja, aber noch Luft nach oben

„Insgesamt kann man sagen, dass die Digitalisierung durchaus im Handwerk angekommen ist“, meint Projektinitiator Andreas Owen. Die Einstellung zur Digitalisierung sei mehrheitlich positiv gefärbt und die durch die Digitalisierung angestoßenen Veränderungen würden überwiegend begrüßt. Vor allem Elektro-, Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik sowie Schreiner und Tischler wiesen im Vergleich einen überdurchschnittlichen Digitalisierungsgrad auf. Bei einem Gesamtdigitalisierungsgrad von 37 Prozent sei jedoch durchaus noch Luft nach oben.

Insgesamt ist das Ausbaupotenzial bei der Digitalisierung in den Gewerken des Bau- und Ausbauhandwerks in Deutschland weiter recht groß: Der Gesamtdigitalisierungsgrad ist mit 37 von 100 möglichen Punkten in den untersuchten Gewerken noch nicht zufriedenstellend. So hat die Untersuchung etwa gezeigt, dass vielen Betrieben eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie fehlt, Entscheidungen zu Digitalisierungsprozessen eher ad hoc umgesetzt werden und weniger im Zuge längerfristiger Planungen erfolgen. Hier gilt es, das Verständnis bei den Betrieben dafür zu fördern, dass eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie für die erfolgreiche zukunftsgerichtete Fortführung von großer Bedeutung ist.

Ein Bereich, in dem Handwerksunternehmen sich durchaus digitaler aufstellen können, liegt etwa bei der Präsentation von Betrieben und ihren Dienstleistungen gegenüber Endkunden. Hier liegt im Bau- und Ausbauhandwerk Potenzial, moderner und zeitgemäßer aufzutreten, etwa indem Betriebe ihren guten Ruf auch in Form von Bewertungen online abbilden.

Je größer, desto digitaler

Zentrales Ergebnis der Studie ist, was vielleicht viele schon vermutet haben: Bei zunehmender Betriebsgröße und mit jüngerem Alter steigt die Bereitschaft, auf Digitalisierung zu setzen. Auch ob ländlicher oder städtischer Standort bzw. der Umsatz des Betriebs spielen eine Rolle. Hier gibt es also noch genügend Spielraum zu Veränderung. Das gilt auch bei der Suche nach Auszubildenden: Bei Jugendlichen ist das breite Spektrum digitaler Einsatzmöglichkeiten in Handwerksberufen laut Digitalisierungsbarometer nicht ausreichend bekannt. Wird z.B. die bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades eines Betriebs für Bewerber frühzeitig erlebbar, steigt der jeweilige Handwerksberuf im Ansehen – ein wichtiger Punkt in Zeiten des Fachkräftemangels.

Wie können die Ergebnisse Architekten und Architektinnen bei der Suche von Partnerbetrieben unterstützen?

„Generell sucht ein Architektenbüro ja anders nach einem Handwerksbetrieb als ein Endverbraucher“, so Andreas Owen. Öffentliche Projekte müssten ausgeschrieben werden und viele Architekten hätten bereits ihre Betriebe, mit denen sie zusammenarbeiten. Die Ergebnisse des Digitalisierungsbarometers könnten aber für neue Kontakte zwischen Architekt und Baubetrieb sorgen, da sie dem Architekten Kriterien aufzeigen, mit denen er den Grad der Digitalisierung eines möglichen Partners identifizieren kann. „Sicherlich suchen Architekten, die in ihrer Arbeit bereits vieles digitalisiert haben, nach einem Handwerksbetrieb, der hier ähnlich eingestellt ist“, gibt Owen zu Bedenken.

Mehr Informationen unter www.digibarometer-handwerk.de

Tablet mit geöffneter Website Digitalbarometer

Das Digitalisierungsbarometer ist ein breit angelegtes, deutschlandweites Forschungsprojekt, das erstmalig den Grad der Digitalisierung unterschiedlicher Gewerke des Bau- und Ausbauhandwerks analysiert und regelmäßig fortgeschrieben werden kann. Initiator und Herausgeber der Studie ist die Empfehlungs- und Bewertungsplattform „wirsindhandwerk.de“ in Zusammenarbeit mit Lab4Innovations und u.a. Unterstützung des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT) und der Deutschen Bank als Hauptsponsor und dem Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau.

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