BIM-Herstellerdaten Theorie und Praxis

Diesen Fachartikel (erschienen in „Bauprodukte digital“, Ausgabe A61029, April 2018) von Werner Trefzer, Leiter Technische Dokumentation bei Geberit International, können Sie auch als PDF herunterladen.

BIM-Herstellerdaten - Theorie und Praxis  (843 KB)

BIM-Datenerstellung heute

Seit ca. 5 Jahren stellt die Geberit Gruppe ihren Kunden auf ihren Webseiten BIM-Herstellerdaten zum kostenfreien Download zur Verfügung (Zielgruppe vorwiegend TGA-Planer und Architekten). Bisher wurde dabei so vorgegangen, dass man BIM-Modelle in verschiedenen Formaten von unterschiedlichen Dienstleistungsunternehmen herstellen ließ und diese zum Download auf den lokalen Webseiten der verschiedenen Niederlassungen den Kunden zur Verfügung stellte. Wahrscheinlich geht der Großteil der Sanitärproduktehersteller so oder so ähnlich vor. Manche Hersteller erstellen ihre Modelle inhouse, andere nutzen dafür externe Dienstleister. Andere wiederum nutzen eine der beinahe unzähligen Web-Plattformen, um neben der Erzeugung der Daten auch gleich noch das Hosting mit zu erledigen. Sicher hat jede dieser Vorgehensweisen seine Berechtigung, wenn man die Thematik aus der vorherrschenden Perspektive betrachtet. Schaut man sich jedoch diese Art des Datenmanagements -und über nichts Anderes sprechen wir hier- im Detail genauer an, erkennt man schnell die Nachteile all dieser, prozessual nur wenig voneinander abweichenden, Vorgehensweisen: Sie sind teuer, langwierig sowie ressourcenintensiv und ergeben im Endergebnis weitgehend statischen Content. An dieser Stelle sei auch die ketzerische Frage erlaubt: Entspricht das Endergebnis wirklich den Anforderungen der Zielgruppe oder des Verwendungszwecks? Die Antwort bleibe ich an dieser Stelle noch schuldig.

Komplexität von Produkt/Variante/Sortiment/Sprache; Grafik: © Geberit International AG

Bleiben wir noch etwas beim “statischen Content“. Am Beispiel der Geberit Gruppe, als international aufgestelltes Unternehmen, zeigt sich die Produktvielfalt in Verbindung mit rund 50 lokalen Märkten und über 30 Sprachen als komplexes Problem, das statische Modelle massiv vervielfältigt. Dem vorstehend beschriebenen Ansatz folgend, müsste man zu jedem einzelnen, planungsrelevanten Produkt nicht nur alle Varianten desselben, sondern auch die lokalen Abkömmlinge in der jeweiligen Sprache als Modell aufbereiten. Damit nicht genug, denn es muss auch berücksichtigt werden, dass längst nicht jedes Produkt in jedem Land erhältlich ist und ganz zu schwiegen von den lokal abweichenden Bauvorschriften und Normen, die wiederum lokale Varianten der Varianten bedingen können.

Die Grafik zeigt eindrücklich wohin das führt: Zu einem “händisch“ nicht mehr unter Kontrolle zu haltenden Portfolio an BIM-Modellen.

Natürlich kann man - je nach Datenformat und/oder Software - Modelle zu parametrischen Familien bündeln und damit die Anzahl der zu erzeugenden Modelle verringern. Keine Frage, aber wirklich gelöst ist das Problem damit nicht. Eine weitere beliebte Methode der Datenkomplexität zu begegnen, ist z.B. die Verwendung der englischen Sprache, um dadurch die Vielsprachigkeit zu vermeiden. Ebenfalls ein legitimer Ansatz, der jedoch längst nicht allen Nutzern der Daten entgegenkommt. Oft müssen Metadateneinträge in den BIM-Modellen aufgrund von systemischen Gegebenheiten abgekürzt werden. Die “englische Version“ stellt sich spätestens dann als wenig zielführend für all jene dar, die des Englischen nicht oder nur wenig mächtig sind, denn kryptische Abkürzungen von Bauteilnamen werden sich mit keinem Wörterbuch mehr übersetzen lassen.

Ein ganz wesentlicher Punkt wurde in der bisherigen Betrachtung noch völlig außer Acht gelassen: Das zu liefernde Datenformat. Die BIM-Welt ist, trotz mancher Initiative zur Vereinheitlichung, ein ziemliches Durcheinander von Softwaresystemen, Datenformaten, Daten-Standards, Web-Plattformen und Konzepten aller Art. Als Hersteller steht man inmitten all dieser angebotenen “Lösungsansätze“ und fragt sich wie man dieser Herausforderung begegnen soll. Derzeit ist die “BIM-Welt“ weit davon entfernt, sich auf einen gemeinsamen Datenstandard zu einigen, der einen Datenaustausch zwischen proprietären Softwaresystemen erlauben würde. Ohne weiter darauf einzugehen: Das IFC Format der buildingSMART Initiative ist nicht das zielführende Format für BIM-Herstellerdaten, die in der TGA-Planung und -berechnung verwendet werden sollen. Es mögen sich im IFC Format Geometrie und Standardparameter übertragen lassen, aber ein konfigurierbares Rohrnetz lässt sich mit diesem Format nicht bauen.

Was also tun?

Für alle in den Märkten positionierten proprietären Softwaresysteme BIM-Modelle zur Verfügung zu stellen, scheidet aus den vorstehend angeführten Gründen aus. Es liegt auf der Hand, dass man als Hersteller von Bauprodukten mit einem umfangreichen Produktportfolio derzeit nicht alle Kunden glücklich machen kann. Man wird sich also zwangsläufig auf bestimmte Datenstandards oder proprietäre Softwaresysteme fokussieren müssen. Diese Entscheidung verlangt jedoch nach einer seriös evaluierten Grundlage, nämlich zu wissen was in der BIM-Welt wirklich passiert. Das schließt insbesondere die Kundensicht mit ein. Einseitige Ermittlungen von Anforderungen werden nicht dazu führen, dass BIM-Modelle den Kundenbedürfnissen entsprechen. Das hat die Geberit Gruppe mittels einer Online-Umfrage unter 200.000 Kunden weltweit fundiert ermittelt.

Um zunächst noch bei Software und Datenformaten zu bleiben: Derzeit scheint ein zweigeteilter Ansatz zielführend: Die Unterstützung des Datenstandards nach VDI Norm 3805 und die Bereitstellung von nativen BIM-Modellen für das Softwaresystem Revit von Autodesk. Warum?

Die VDI 3805 ist der erste richtige Schritt in Richtung Standardisierung im TGA-Bereich und verdient jede mögliche Unterstützung, um eine weitere Verbreitung zu ermöglichen. Daher arbeitet die Geberit Gruppe auch intensiv in dem Arbeitskreis VDI3805 mit. In der heutigen Form ist die VDI Norm 3805 (noch) nicht der Stein der Weisen. Das Geometriemodell beschreibt Bauteile auf Artikelebene, also der Variantenebene. Das ist grundsätzlich kein Problem sofern man die VDI-Modelle nicht in Revit verwenden will. In Revit kommen VDI-Modelle als statische Geometrie an, was die Nutzung weitreichender Funktionalitäten der Revit Software ausschließt. Revit betrachtet die Varianten eines Produkts als parametrische Familie und bietet eine Vielzahl an komfortablen Funktionen, wie z.B. die Anpassung von Dimensionierungen im Projekt ohne Austausch des Modells.

Mittlerweile steigt jedoch die Anzahl der Softwaresysteme, welche VDI-Modelle einlesen und verarbeiten können. Insbesondere bietet die VDI Norm 3805 ein umfassendes Datenmodell für die Durchführung von Rohrnetzberechnungen. In diesem Zusammenhang ist von einigen TGA-Planern wiederum zu vernehmen, dass sie zwar die VDI Modelle verwenden, jedoch nur das Datenmodell ohne Geometrie. Also auch hier wird wohl noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten sein. Dennoch: Aus den klassischen DACH-Märkten ist die VDI Norm 3805 nicht mehr wegzudenken. Eine über diese geografischen Grenzen hinwegreichende Verbreitung der VDI 3805 ist - Stand heute - noch nicht wirklich sichtbar.

Der größte Wermutstropfen im Bezug auf die VDI Norm 3805 ist wohl der Umstand, dass es derzeit keinen, wirklich gut funktionierenden und frei zu erwerbenden Editor für die Erstellung von VDI-Modellen gibt. Das macht die Herstellung von VDI-Daten teuer, da nicht nur die Herstellung, sondern auch der ganze Änderungsprozess über einen Dienstleister zu bewerkstelligen ist. Aus Herstellersicht ist das kein wirklich zielführendes Businessmodel. Die Softwarehersteller müssten die Herausforderung annehmen und Funktionalitäten in ihre Systeme implementieren, um VDI-Modelle als Zielformat erzeugen zu können.

Der eigentliche Platzhirsch - und das wahrscheinlich weltweit - dürfte wohl Revit® von Autodesk® sein. Ca. 90% aller an die Geberit Gruppe gerichteten Anfragen, beziehen sich auf das native Datenformat für Revit® Modelle, bzw. Familien. Dem muss man als Hersteller Rechnung tragen und entsprechende Datensätze oder Familien vorhalten.

Revit® bietet hervorragende Funktionalitäten, z.B. in der Planung von Rohrleitungssystemen, was sicher einer der Gründe dafür ist, dass diese Software so weit verbreitet ist. Auch ist es für den Hersteller ohne weiteres möglich, selbst Content zu erzeugen. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage nach dem Datenmodell, also der Klassifizierung und Strukturierung der Metadaten. Alleine die bestehenden Datenmodelle und deren Übertragungsformate, gäben genügend Stoff für einen eigenen Artikel. Wie also, bzw. nach welchem Modell soll man Metadaten in BIM-Modellen strukturieren oder auszeichnen? Es gibt zig verschiedene Ansätze, alle mit stark nationalem Bezug. So decken sich Anforderungen in UK nicht ansatzweise mit den Anforderungen aus den Niederlanden. Auch hier wird man gezwungen sein, den größten gemeinsamen Nenner zu finden und sich für ein Modell entscheiden müssen. Die Geberit Gruppe setzt bei Revit®-Modellen den niederländischen “Dutch Revit® Standard V. 2.0“ ein. Darüber hinaus ist es aber auch gang und gäbe, dass TGA-Planer die verwendeten BIM-Modelle selbst erweitern und an ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen. Daran wird sich mittelfristig sicher nichts ändern. Effizient ist das eher nicht…

LOD und LOI

Die ganze Abhandlung bezog sich bisher auf Datenformate, -standards und/oder Softwaresysteme. Gehen wir der Einfachheit halber, einmal davon aus, dass man sich für ein Datenformat in Verbindung mit einem Datenmodell und für eine Software entschieden hat. Ist die Sache damit “geritzt“? Eher nicht… eigentlich wird es jetzt erst richtig schwierig. Je nachdem mit wem man spricht, reicht die Anforderung an den “Level of Detail“ (LOD) in einem BIM-Modell von sehr einfach bis hoch detailliert. Der TGA-Planer kommt, genauso wie der Architekt, wahrscheinlich mit einer sehr einfachen Geometrie, die sich auf die wesentlichsten Merkmale eines Produkts beschränkt, gut zurecht. Jeder weiß, dass BIM-Modelle mit hoher Detailtiefe, insbesondere in umfangreicheren Projekten, irgendwann dazu führen, dass das Gesamtmodell die Rechnerkapazität überfordern wird. Daher setzt die Geberit Gruppe auf einfache Geometrien, die ausreichen, die planerischen Anforderungen zu erfüllen, aber auf “nice to have“ Features verzichten. Auch das ein Ergebnis aus vielen Kundenbefragungen. Warum Dienstleister immer noch die Erstellung von BIM-Modellen mit hoher Detailtiefe anbieten, erschließt sich unter vorstehend genanntem Gesichtspunkt nicht wirklich.

Zunahme der Metainformation im Projektverlauf; Grafik: © Geberit International AG

Bei der Anreicherung der BIM-Modelle mit Metadaten wird es schon etwas “kniffliger“. Jede Bauphase verlangt nach spezifischen Informationen im Modell. Während der Architekt in der Entwurfsphase mit sehr wenigen Informationen zurechtkommen wird, verlangt der Facility Manager nach dem höchstmöglichen Informationsgehalt, um Wartung und Instandhaltung eines Objekts so einfach wie möglich zu gestalten. Siehe auch die Grafik.

Sollte man daher von vornherein alle möglichen Metainformationen an das BIM-Modell hängen? Den Architekten und den TGA-Planer wird das genauso wenig freuen wie den Statiker. Derzeit sind Nutzer statischen Contents mehr oder weniger gezwungen, gemäss Baufortschritt die BIM-Modelle selbst mit Metainformationen anzureichern. Niemand wird wohl im Verlauf des Projekts die Modelle gegen Nachfolgemodelle mit höherer Informationsdichte austauschen wollen.

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