Die Tücken der Bauüberwachung | geberit.de

Die Tücken der Bauüberwachung

Anspruch des Planers auf Teilabnahme nach Leistungsphase 8

Warum Sie als Planer wichtige Bauabschnitte besonders gut im Auge behalten sollten - und wie Sie sich vor bösen Überraschungen schützen.

Dass das Thema Bauüberwachung nach wie vor praxisrelevant ist, erkennt man schon daran, dass sich in den Jahren 2019 und 2020 bisher 35 Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte mit den aus mangelhafter Bauüberwachung resultierenden Haftungsfragen befasst haben.

Autor: Thomas Herrig, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Vorweg eine schnelle Begriffsklärung: Auch wenn in Leistungsphase 8 der HOAI (Anlage 10 zu §§ 34 Abs. 4, 35 Abs. 7 sowie Anlage 15 zu § 55 Abs. 3, § 56 Abs. 3 HOAI) von Objektüberwachung die Rede ist, wird in der Praxis allgemein von Bauüberwachung gesprochen. Diese Begrifflichkeit findet sich auch in den jeweiligen Anlagen der HOAI (hinter Objektüberwachung gesetzt). In Anlage 15 zur technischen Gebäudeausrüstung ist die Bauüberwachung in der Leistungsphase 8 mit den Grundleistungen a, k und o von insgesamt 16 Grundleistungen zu dieser Leistungsphase abgebildet.

Grundsätzliches

Der informierte Leser könnte nun einwenden, dass die HOAI und letztlich die dazugehörigen Anlagen nur dazu dienen sollen, das Honorar des Planers zu ermitteln. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits entschieden, dass die HOAI Preisbemessungsrecht ist und nicht zur Ermittlung der dem Planer obliegenden Leistungspflichten dient. Vielmehr richten sich die Pflichten des Planers nach den Regeln des Werkvertragsrechts sowie dem zugrundezulegenden Vertrag.

Die Praxis verwendet die HOAI jedoch in einem anderen Sinne. In der Regel beziehen sich die Vertragsbeteiligten zur Festlegung der Leistungspflichten des Planers auf die Leistungsphasen der für Objektplaner bzw. TGA-Planer einschlägigen Leistungsphasen und machen die darin enthaltenen Grundleistungen auf vertraglicher Grundlage mehr oder weniger zum Leistungsinhalt. Soweit vereinbart, wird dann auch der Leistungsinhalt der Grundleistungen h, k und o aus der Leistungsphase 8 zum Vertragsinhalt. Schließlich hat auch die höchstrichterliche Rechtsprechung im Rahmen der Ermittlung der von dem vom Planer geschuldeten Teilleistungserfolge festgelegt, dass eine ordnungsgemäß durchgeführte Bauüberwachung wesentlich für das Entstehen einer mangelfreien Bauleistung ist. Damit schuldet ein Planer selbst dann eine ordnungsgemäß durchgeführte Bauüberwachung, wenn der Vertrag ohne Bezug auf die HOAI geschlossen worden ist. Die Neuregelung des § 650p Abs. 1 BGB, der zum 01.01.2018 in Kraft getreten ist, berücksichtigt diese Rechtsprechung.

Umfang der Überwachungspflicht

Der Umfang der von dem Planer in dieser Leistungsphase zu erbringenden Tätigkeiten ist anspruchsvoll. Insbesondere die Anforderungen der einschlägigen Rechtsprechung im Rahmen von Haftungsprozessen (vgl. oben) sind hoch und müssen im Einzelfall beachtet werden.

Überwachung handwerklicher Selbstverständlichkeiten

Handwerkliche Selbstverständlichkeiten sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Zweifel nicht zu überwachen. Der Bauüberwacher darf sich hier bis zu einem gewissen Grad auf die Zuverlässigkeit und ordnungsgemäße unternehmerische Bauausführung verlassen (OLG Düsseldorf, BauR 2013, 489).

Handwerkliche Selbstverständlichkeiten werden juristisch als allgemein übliche, gängige und einfache Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, definiert. Dazu gehören Putzarbeiten, Malerarbeiten sowie das Aufbringen von Estrich.

Wer die zu dieser Thematik ergangene Rechtsprechung richtig liest, wird feststellen, dass die hier gezogenen Grenzen äußerst schwammig sind. Im Zweifel wird man also als sorgfältiger Bauüberwacher auch die im Rahmen handwerklicher Selbstverständlichkeiten ausgeführten Arbeiten wenigstens stichprobenartig überprüfen.

Dies soll eine Entscheidung des OLG Brandenburg vom 24.10.2019 verdeutlichen. Ein Installateur hatte für eine Schulturnhalle die gesamte Trinkwasserinstallation zu errichten. Nach Fertigstellung und Abnahme kam es zu erheblichen Undichtigkeiten an dieser Installation. Sachverständig wurde festgestellt, dass sogenannte interkristalline Korrosion für die Undichtigkeiten verantwortlich war. Zurückzuführen war dies darauf, dass das vom Installateur zu verwendende Edelstahlrohr im Rahmen der Verarbeitungsphase einer Wärmewirkung ausgesetzt worden ist (die Rohrleitungen wurden geflext). Schließlich hatte der Installateur auch bei der Errichtung der Trinkwasserinstallation und der Herstellung der Pressverbindungen ungeeignete Presswerkzeuge verwendet und bei den Pressvorgängen im Bereich der Form- und Verbindungsstücke handwerkliche Ausführungsfehler begangen. Der mit der Bauüberwachung betraute Planer hatte diese Mängel im Rahmen der Bauüberwachung nicht festgestellt. Er wurde vom OLG Brandenburg für diese Mängel haftbar gemacht.

Interessant sind die vom Gericht zur Bauüberwachung aufgestellten Leitsätze:

  • Der Planer muss die Bauarbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Er ist jedoch nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten.
  • Nur bei wichtigen oder kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Planer zur erhöhten Aufmerksamkeit und zu einer intensiven Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet.
  • Einfache und gängige Tätigkeiten (handwerkliche Selbstverständlichkeiten), die für die Funktionalität der Gesamtwerkleistung nicht wichtig sind, sind zumindest stichprobenhaft zu überwachen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein hohes Mangelrisiko besteht (insgesamt OLG Brandenburg, Urteil vom 24.10.2019 - 12 U 47/19).

Zur Erläuterung

Das OLG Brandenburg hat sich hier auf Grundsätze gestützt, die der Bundesgerichtshof in den Urteilen vom 09.11.2000 - VII ZR 362/99 -, vom 16.05.2002 - VII ZR 81/00 - und vom 26.04.1973 - VII ZR 85/71 - aufgestellt hat. Das OLG Brandenburg hat vorliegend im Hinblick auf die Errichtung einer Trinkwasserinstallation ein hohes Mangelrisiko angenommen und deshalb den Planer zu einer erhöhten Bauüberwachung verpflichtet gesehen. Er hätte zumindest durch stichprobenartige Kontrollen feststellen können, dass aufgrund der Verfärbung an den Edelstahlrohren die Korrosionsbeständigkeit beeinträchtigt gewesen sein kann. Mithin hätte der Planer wenigstens durch stichprobenartige Kontrollen prüfen müssen, inwieweit von dem ausführenden Unternehmen Verarbeitungsfehler verursacht wurden.

Bauüberwachung im engeren Sinne

Zusammengefasst lassen sich die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zum Thema Bauüberwachung wie folgt zusammenfassen:

Der Planer hat die wichtigsten Bauabschnitte, von denen das Gelingen des ganzen Werkes abhängt, persönlich oder durch einen Erfüllungsgehilfen unmittelbar zu überwachen oder sich sofort nach der Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsmäßigkeit zu überzeugen (BGH, BauR 2000, 1513).

Je höher hier die Qualitätsanforderungen an das Baumaterial und an die Bauausführung sind, desto größer ist auch das Maß an Überwachung, das der Planer aufbringen muss.

Der Planer muss sein Augenmerk vor allem auf schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten richten; typische Gefahrenquellen und kritische Bauabschnitte müssen besonders beobachtet und überprüft werden. Besondere Überwachungspflichten bestehen im Bereich der Ausführung von Sanierungsarbeiten, insbesondere an Altbauten, die Vornahme von Schall- und Wärmeisolierungsarbeiten sowie bei Nachbesserungsarbeiten. In diesem Zusammenhang fordert die einschlägige Rechtsprechung immer wieder, dass der Planer Grundkenntnisse der einschlägigen Rechtsprechung des Bauordnungsrechts und des Werkvertragsrechts, der VOB und den anerkannten Regeln der Technik besitzt (BGH, NJW 1973, 1457 und BGH, NJW 1978, 322).

Die Überwachung „inkompetenter Handwerker“

Unter Planern existiert die weit verbreitete Fehlvorstellung, dass die Sorgfaltspflichten des mit der Bauaufsicht beauftragten Planers deshalb gemindert sei, weil die ausgeschriebenen Arbeiten vom Bauherrn selbst vergeben werden und dieser damit die Verantwortung für schlechte Unternehmer an sich gezogen hat. Das trifft so nicht zu.

In einer Entscheidung vom 09.11.2000 - VII ZR 362/99 - hat der BGH festgelegt: “Je schwächer der Handwerker, desto stärker die Überwachungspflicht“.

Was kann man in einem solchen Fall tun? Beauftragt der Auftraggeber entgegen dem Rat des Planers einen unzuverlässigen/nicht ausreichend fachkundigen Unternehmer, so kann hierin ein Mitverschulden des Auftraggebers liegen, wenn es infolge dieser Umstände zu einem Schaden kommt (BGH, Urteil 11.03.1999, - VII ZR 465/97 -). Der richtige Weg ist es also, beim Auftraggeber gegen die Beauftragung eines unzuverlässigen Bauunternehmers Bedenken anzumelden.

Übrigens darf noch angemerkt werden, dass der Planer nicht etwa einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für die Objektüberwachung geltend machen kann, wenn er inkompetente Handwerker mit erhöhtem Aufwand kontrollieren muss.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Planer gemäß einer Entscheidung des OLG München vom 31.07.2015, - 13 U 1818/13 Bau - auf eine unzureichende Bauüberwachung hinweisen muss. Hat der Planer wesentliche (bauüberwachungspflichtige) Arbeiten nicht eng überwacht und somit seine Pflicht im Rahmen der Bauüberwachung verletzt, handelt er arglistig, wenn er den Auftraggeber hierauf nicht hinweist (OLG München, a.a.O.).

Eine solche Vorgehensweise führt dann dazu, dass nicht die sonst übliche Gewährleistungsfrist aus § 634a BGB (5 Jahre), sondern vielmehr eine 30-jährige Verjährungsfrist gilt.

Im Übrigen möchte der Verfasser aufgrund eines von ihm aktuell bearbeiteten Falles darauf hinweisen, dass es sinnvoll ist, die Unterlagen über den Abschluss einer Haftpflichtversicherung mindestens über einen Zeitraum von 30 Jahren aufzuheben, da im Schadensfall sonst ein Haftpflichtschutz - wegen Klärung des Versicherungsschutzes - nicht rechtzeitig durchgesetzt werden kann.

Zusammenfassung

Bauüberwachung ist eine anspruchsvolle Tätigkeit. Der Planer schuldet in diesem Bereich das mangelfreie Entstehen des Bauwerks. Das ist nur möglich, wenn er alles - einschließlich handwerklicher Selbstverständlichkeiten - überwacht. Letztere mindestens stichprobenartig. Die Intensität der Überwachung der jeweiligen Arbeiten ist abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Auch kleinere Mängel können große Auswirkungen haben (siehe Fall OLG Brandenburg). Der Planer muss zur Kenntnis nehmen, dass er im Bereich der Bauüberwachung bereits das Entstehen von Mängeln vermeiden muss. Spätestens aber bei der Abnahme müssen die im Rahmen der Bauüberwachung nicht festgestellten Mängel ermittelt und benannt werden. Erkennt der als Bauüberwacher tätige Planer, dass der Bauherr “schwache Handwerker“ beauftragen will, sollte er unbedingt Bedenken anmelden.

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